Superteleobjektiv: Zoom vs. Festbrennweite

Superteleobjektiv: Zoom vs. Festbrennweite

Lange Brennweiten sind unerlässlich für die Sport- oder Tierfotografie. Wer ein Objektiv mit Brennweiten jenseits der 300mm anschaffen möchte, muss sich zwischen einem Zoom oder einer Festbrennweite entscheiden.

Vor einiger Zeit habe ich bereits das Supertele-Zoom Tamron SP 150-600 getestet und meine Erfahrungen in einem Praxisbericht zusammengefasst. Als ich zuletzt das Nikon AF-S 600 4 IF-ED II für einen ersten Test im Wildpark dabei hatte, erinnerte ich mich an diesen Test und die teilweise sehr ähnlichen Motive. Dies möchte ich zum Anlass nehmen, die jeweiligen Vor- und Nachteile der Objektive anzusprechen und damit stellvertretend über die Vor- und Nachteile von Zoom und Festbrennweiten aus dem Supertelebereich im Allgemeinen zu sprechen.

600mm sind nicht gleich 600mm!

1. Größe und Gewicht

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Das Nikon AF-S 600 4 IF-ED II
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Tamron SP 150-600mm F/5-6.3 Di VC USD

Ganz augenscheinlich sind die Unterschiede in Bauweise und Größe zwischen beiden Objektiven. Während Supertelezooms hinsichtlich Größe und Gewicht meistens recht handlich gebaut sind, ordnet sich die Bauweise der Festbrennweiten kompromisslos der Leistung unter. Im Falle des Nikon AF-S 600mm f/4D IF-ED II äußert sich das in ca. 5kg Gewicht und 60cm Länge. Das Tamron dagegen wiegt knapp 2kg, ist je nach Brennweite zwischen 35 und 45cm lang und deutlich schmaler als die Festbrennweite.

2. Handling

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Mit dem Tamron SP 150-600 kann man auch bequem freihand fotografieren
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Bei Superteleobjektiven (hier 600mm f/4) braucht es mindestens ein Einbeinstativ
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Bei kurzen Verschlusszeiten benötigt man für dieses 400mm f/2.8 unbedingt ein stabiles Stativ und einen passenden Stativkopf

Maßgeblich durch Größe und Gewicht beeinflusst ist natürlich das Handling. Ohne ein Stativ geht bei Festbrennweiten im Bereich von 300mm – 600mm leider gar nichts! Zu schnell würden die Arme ermüden und man hätte generell Mühe, verwacklungsfreie Bilder zu produzieren. Bei kurzen Verschlusszeiten, wie sie meist in der Sportfotografie gefragt sind, reicht ein Einbeinstativ. Bei langen Verschlusszeiten, die in der Natur- und Tierfotografie durchaus vorkommen, sollte es aber ein stabiles Dreibeinstativ mit entsprechendem Stativkopf sein.

Flexibilität

Zu den größtenStärken des Zooms zählt naturgemäß die Flexibilität, die der Zoombereich mit sich bringt. Während man beim Zoom ganz bequem die Brennweite variieren und damit den Ausschnitt bei bewegten Motiven vom Standort aus ändern kann, muss man sich mit dem Superteleobjektiv entweder selbst bewegen oder einen ungewollten Ausschnitt des Motivs in Kauf nehmen.

Verschlusszeiten

Möchte man kurze Verschlusszeiten realisieren, braucht man entweder viel Licht oder eine möglichst große Offenblende. Sieht man von Ausnahmen wie dem Sigma 200-500mm f/2.8 ab, zeichnen sich Zoomobjektive nicht gerade durch Lichtstärke bzw. eine große Offenblende aus. Die Anfangsblende des Tamron 150-600 liegt bei der maximalen Brennweite bei f/6,3 – also mehr als zwei Blenden schwächer als das Superteleobjektiv Nikon AF-S 600mm f/4! Auch wenn heutige Kameras aufgrund der ISO-Performance immer lichtstärker werden, kann dies bei schlechten Lichtverhältnissen einfach den Unterschied ausmachen.

Zugegebenermaßen braucht es beispielsweise in der Tierfotografie nicht immer kurze Verschlusszeiten. Wenn sich die Motive nicht oder nur wenig bewegen, gelingen mithilfe des Bildstabilisators (VR, VC) auch mit langen Verschlusszeiten verwacklungsfreie Fotos. Der VC des Tamron 150-600 arbeitet erstaunlich gut, so dass mir selbst bei 600mm Brennweite freihand Verschlusszeiten von 1/60sec genügten.

Freistellpotenzial

Die lange Brennweite in Verbindung mit der großen Anfangsblende (bei Superteleobjektiven üblicherweise f/2.8 oder f/4) ergibt ein unvergleichliches Freistellpotenzial, das oftmals mit einem cremigen und schönen Bokeh gekrönt wird. Zwar kann man bei geringem Abstand zum Motiv auch mit Blende 8 Motive gut freistellen, bei etwas größerem Abstand jedoch spielt ein Superteleobjektiv mit seiner Blendenöffnung von f/2.8 bzw. f/4 seine Stärken gegenüber dem Zoom aus.

Schärfe

Unglücklicherweise sind die meisten Zooms bei Offenblende noch nicht wirklich scharf und müssen etwas abgeblendet werden. Bei einer ohnehin schon schwachen Anfangsblende (das Tamron hat bei 600mm Brennweite eine Anfangsblende von f/6.3) landet man dann schnell bei Blende 8. Die meisten Superteleobjektive dagegen leisten schon bei Offenblende eine herausragende Schärfe und können die Sensoren von Megapixelmonstern wie der D800/10 voll auszureizen. Hier ist mein subjektiver Eindruck, dass das Tamron das in dieser Form nicht kann, obwohl dieses Objektiv bei Offenblende schon gute Ergebnisse erzielt.

Einsatz von Konvertern

Wenn nicht einmal die Brennweite von Superteleobektiven ausreicht, benötigt man einen Konverter. Konverter verlängern aber nicht nur die Brennweite eines Objektivs, sie bringen leider auch qualitative Einbußen und eine Verkleinerung der Anfangsblende mit sich. Wer auf den Einsatz von Konvertern angewiesen ist, braucht daher das Quäntchen mehr an Bildqualität, das Superteleobjektive leisten. Und auch die große Anfangsblende kommt einem dabei zugute, denn der Einsatz von Konvertern setzt die ursprüngliche Anfangsblende auch immer um einen bestimmten Wert nach unten. Verwendet man beispielsweise einen 1,4x Konverter am 600er, ändert sich die Anfangsblende von f/4 auf f/5.6.

Autofokus

Eine weitere Domäne der Superteleobjektive ist der Autofokus. Da diese Objektive unter Anderem für den Einsatz in der Sportfotografie konzipiert sind, ist der Autofokus entsprechend schnell und zuverlässig. Während ich mit Objektiven wie dem AF-S 300 f/2.8, 400 f/2.8 oder 600 f/4 praktisch keinen Ausschuss bei bewegten Motiven produzierte, waren ca. 30% meiner Fotos mit dem Tamron nicht richtig fokussiert.

Fazit

In meinem Praxistest zum Tamron SP 150-600 war ich von dessen Qualität sehr überrascht, weil ich bis dato von derartigen Zoomobjektiven hinsichtlich Bildqualität und Autofokus immer enttäuscht wurde. Das erklärt für mich auch den Trend, dass viele Naturfotografen immer häufiger auf solche Objektive zurückgreifen – immerhin sind sie leicht zu transportieren, sehr flexibel und bieten mittlerweile auch eine wirklich gute Bildqualität. Für spezielle Bedingungen (Einsatz von Konvertern, bewegte Motive bei schlechten Lichtverhältnissen etc.) haben die teuren und unhandlichen Superteleobjektive aber auch in der Naturfotografie weiterhin ihre Berechtigung. Und ganz besonders in der Sportfotografie führt wohl nach wie vor kein Weg an den großen, schweren und teuren Superteleobjektiven vorbei. Immerhin sind hier Autofokus, Lichtstärke und Freistellpotenzial die gefragten Attribute, denen auch die neusten Zoomobjektive noch nicht gerecht werden können.

 

Bilder mit dem Tamron SP 150-600mm

  • aufgenommen mit dem Tamron SP 150-600

 

Bilder mit dem Nikon AF-S 600mm f/4 II

  • aufgenommen mit dem Nikon AF-S 600 4 IF-ED II

Von Steffen Körber

Mein Name ist Steffen Körber und ich bin leidenschaftlicher Fotograf, Ausrüstungs-Freak und Blogger für action-photos.de Über meine Begeisterung für Sport bin ich durch Zufall zur Fotografie gekommen. Daraus entwickelte sich schnell eine Leidenschaft mit der Ambition, Fotografie professionell zu betreiben.